Theatertest: "Warum ist er nach Kopenhagen gekommen?"

Szene aus "Kopenhagen", Foto: Barbara Aumüller
Michael Frayns "Kopenhagen" in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt

Niels Bohr und Werner Heisenberg zählen zu den herausragenden Physikern des 20. Jahrhunderts und führten durch ihre langjährige Zusammenarbeit zu weitreichenden Erkenntnissen in der theoretischen Physik. Durch ihre gemeinsame Arbeit aneinander geschweißt, verband die beiden eine tiefe und enge Freundschaft, die aber mit einem Besuch Heisenbergs in Kopenhagen ein plötzliches Ende fand. Damals gingen sie spazieren, um miteinander zu reden und bis heute ist der genaue Inhalt des Gesprächs nicht bekannt. Mit seinem Stück "Kopenhagen" versucht der britische Dramatiker Frayn eine Antwort auf diese Frage zu finden und zu beantworten, warum Heisenberg 1941 nach Kopenhagen kam.

In einer unbestimmten Zeit nach dem Tod Bohrs und Heisenbergs fragen sich Bohr und seine Frau Margrethe dies immer noch und kommen zu keinem Schluss. Heisenberg versucht weiterhin seinen Besuch zu rechtfertigen und langsam entsteht ein Gespräch, in dem Heisenberg immer wieder seine Beweggründe darstellt, die immer abwegiger werden und über die sich die drei streiten. Dabei stehen sich Bohr und Heisenberg mal mehr, mal weniger versöhnlich gegenüber und finden doch keine Antwort auf die Frage.

Frayns Schauspiel, das 1998 uraufgeführt wurde und mehrere Preise als bestes Stück erhielt, kann  mittlerweile beinahe schon als Klassiker der modernen Dramatik betrachtet werden. Denn in "Kopenhagen" schafft es Frayn, der längst vergangen Begebenheiten Brisanz für die Gegenwart zu entlocken. Mit Meisterhand führt er die unterschiedlichen Denkweisen vor und lässt aus dem Gespräch Bohrs und Heisenbergs ein ganzes Universum entstehen. In Frayns Stück kreist die ganze Welt um Heisenbergs Besuch in Kopenhagen. Historisch gesehen mag das zweifelhaft sein, doch für "Kopenhagen" ergibt das Sinn.

Die Darmstädter Inszenierung ist schlicht gehalten und das graue Bühnenbild erinnert mehr an ein Labor oder einen Bunker als das Wohnzimmer Bohrs. Doch diese Schlichtheit gibt den drei Figuren den Fokus, der ihnen zusteht, denn diese stehen schließlich auch im Mittelpunkt des Stücks. Dies wird auch durch eine hervorragende Besetzung unterstrichen. Hubert Schlemmer ist ein wohlwollender aber prinzipientreuer Bohr, der nicht über seinen Schatten springen und Heisenberg verzeihen kann. Uwe Zerwers Heisenberg ist aufbrausend, temperamentvoll und stets in passender Position zu Bohr. Gabriele Drechsel spielt Margrethe als ruhige Zuhörerin, die kritisch die Geschehnisse hinterfragt und dadurch das Gespräch mitlenkt.

Inszeniert wurde "Kopenhagen" von Reinar Ortmann, der bei seiner Inszenierung alles richtig gemacht und damit einen großartigen Theatermoment geschaffen hat. Zwar muss man sich durchweg konzentrieren, um nicht den roten Faden zu verlieren, das verringert den Theaterspaß aber keinesfalls.
"Kopenhagen" ist absolut sehenswert und sowohl Theaterinteressierten als auch Theaterfremden ab der Oberstufe zu empfehlen.

Meine Wertung: 9/10

(FB)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen